Stell Dir vor, es ist Digitalisierung, und keiner geht hin. Oder schlimmer: Es ist Digitalisierung, und nur ein kleiner Teil der Gesellschaft, der die Potenziale und Chancen erkennt, geht hin – und ausschließlich dieser kleine Teil ist es, der von den Möglichkeiten profitiert, während alle anderen bitter auf der Strecke bleiben.
Mit „Der stille Raub. Wie das Internet die Mittelschicht zerstört und was Gewinner der digitalen Revolution anders machen“* wirft Gerald Hörhan wieder einmal ein Buch auf den Markt, das polarisieren soll (schafft es), das den Masochisten im Leser immer wieder schmerzlich in die Seite piekt und gleichzeitig wachrütteln will. Digitalisierung, Globalisierung, Bullshitisierung – same same but different.
Zusammengefasst lautet Hörhans These: Wer jetzt nicht am digitalen Ball bleibt und sich stattdessen auf seinen steinzeitlich anmutenden Lorbeeren ausruht, wird bald in seiner Neandertalerhöhle auf dem Boden schlafen müssen.
Während die Generation, die mit Big Data, Industrie 4.0 und künstlicher Intelligenz aufgewachsen ist, hier und da mal eben die Welt revolutioniert und Instanzen, die auf immer und ewig gesetzt zu sein scheinen, nicht nur hinterfragt, sondern ganz ordentlich ins Schwitzen bringt, denken laut Hörhan alle anderen „das betrifft mich ja nicht, müht ihr euch mit diesem ganzen neuen Zeug ruhig ab“. Zugegeben, an der einen oder anderen Stelle fühlt man sich ertappt und genau deshalb ist „Der Stille Raub“* für mich eines der erkenntnisreichsten Bücher im Jahr 2018 gewesen: Für mich war es nicht nur eine unterhaltsame Vision einer teilweise fast schon apokalyptischen Zukunft, sondern hat auch an der einen oder anderen Textpassage Falten verursacht.
Und zwar die guten Falten; die, bei denen man die Stirn kraus legt und sich fragt: „Butter bei die Fische, inwieweit betrifft der Wandel mich selbst? Bin ich Teil dieser Mittelschicht, die sich ihrer Sache so endlos sicher ist, aber bei der doch eine gewisse Chance besteht, dass es 90% ihrer Jobs in der Zukunft nicht mehr gibt, weil sie nicht gemerkt hat, wie überholt ihre Konzepte und Kompetenzen sind und wie leicht sie wegzuautomatisieren sind? Bin ich Teil eines Zukunftsmarktes oder eines Staubflusens? Wie verkaufe ich mich selbst – digital ’ne Eins mit Sternchen oder eher à la Hamburger Marktschreier?“
Wo man bei Hörhan vielleicht eine inkonsistente Argumentation kritisieren mag – mal argumentiert er, dass das Angestelltensein der schlimmste Makel der Mittelschicht ist, nun macht er Angst davor, dass die Mittelschicht ihre Jobs verlieren könnte, ja was denn nun?! – klingt gleichzeitig der Punk durch: Hinterfragt das System! Findet euren eigenen Weg! Hört auf, es euch mitten auf dem Weg gemütlich zu machen! Und vor allem: Behauptet am Ende nicht, der Wandel unserer Welt, unseres Wirtschaftssystems und des Arbeitsmarktes wäre nicht absehbar gewesen!
An dieser Stelle eine Warnung für alle New Economy Pros: Bei „Der stille Raub“ handelt sich weder um einen handfesten Ratgeber noch um ein inhaltsschweres Wirtschaftspamphlet, sondern um einen ersten Versuch, die Konsequenzen des digitalen Wandels mit dem eigenen Schicksal zu verknüpfen (während man an Hörhans überlegenen Lebensweise teilhaben darf). Sprich: ein prima Einstieg, aber für die Tiefe braucht es andere Lektüre.
Mein Fazit: „Der stille Raub“ von Gerald Hörhan* bietet eine kurzweilige Lektüre, die – typisch Hörhan – mit ein wenig Schimpfen, Beleidigen und einiger Angeberei zu unterhalten weiß und gleichzeitig mit Praxisbeispielen aus Hörhans Alltag bildhaft aufzeigt, wo man sich eventuell in veralteten Denkmustern verzettelt vs. Chancen aktiv für sich nutzen kann. Für mich waren einige AHA-Momente dabei; jedoch liegt es bei jedem selbst, was er daraus macht, welche Konsequenzen er zieht und wo er sich künftig positioniert.
*Transparenz: Bei diesem Link handelt es sich um einen Affiliate-Link. Ich finde das Buch wirklich spannend und kann es mit bestem Gewissen weiterempfehlen. Falls Du über diesen Link kaufst, erhalte ich einen kleinen Anteil von Amazon. Falls nicht, freut es mich, dass Du bis hierhin gelesen hast und freue mich sogar noch mehr über einen Kommentar 🙂