Wer sich nicht schon an Silvester genug gute Vorsätze vorgenommen hat, hat in der Zeit vor Ostern eine zweite Chance. Die Fastenzeit nutze ich als kirchen-abtrünnige Katholikin daher gerne, um mich in irgend einer Gewohnheit herauszufordern. Ich mag solche Challenges; mein halbes Jahr Konsumfasten beispielsweise war ein voller Erfolg und hat meine Sicht auf Kaufen und Geldausgeben, wahrscheinlich sogar mein komplettes Konsumbewusstsein nachhaltig verändert.
Aber dieses Jahr war es gar nicht so einfach, ein passendes Fasten-Ziel zu finden.
Was sind die klassischen Fasten-Arten?
- Alkoholfasten: kein Wein zum Abendessen, kein Feierabendbierchen, keine Mon Chérie …
- Nasch-Fasten: kein Süßkram, keine Chips – eben alles weglassen, was Mark-Uwe Kling als „FeSaZu“ bezeichnen würde – oder die Simpsons als „Schäm-Dichs“
- Fleischfasten: klar: nichts essen, was mal gelebt hat – häufig auch nichts, das von einem Lebewesen produziert wurde (also auch keine Milchprodukte, Eier etc.)
- Getränkefasten: Limonaden, gesüßte Tees, Energy Drinks – einfach alle Flüssigkeiten, die nennenswerte Kalorien besitzen
Allerdings sind die klassischen Fasten-Arten bei mir leider eine Nullnummer:
- Alkohol trinke ich sowieso quasi gar keinen, ist also keine Herausforderung
- Süßigkeiten wegzulassen ist sicherlich der Klassiker in der Fastenzeit, da wir aber eh fast kein Süßzeug kaufen: ebenfalls ungeeignet
- Als Teilzeit-Veganer ist der Verzicht auf Fleisch und tierische Produkte jetzt nicht die große Herausforderung …
- Keine Limo und Co.? Gibt ja eh nur Wasser, Tee und höchstens mal einen frischgepressten Saft bei uns. Prädikat: ebenfalls ungeeignet
Den Bereich „Nahrungsaufnahme“ kann ich also eher ausschließen. Etwas anderes muss her …
Fasten-Alternativen: Was kann man noch alles fasten?
- Plastikfasten: keine verpackten Nahrungsmittel kaufen und auch sonst nichts, das Plastikmüll produziert
- Handyfasten: der Name ist Programm: kein Smartphone-Gesuchtel, kein Insta, kein Trade Republik – Handy aus und aus die Maus
- Konsumfasten: über den gesamten Zeitraum keine Dinge gegen Geld tauschen
- Faul-Fasten: jeden Tag bewegen, z. B. in Form einer festen Schrittzahl oder eines vorab definierten täglichen Kalorienverbrauchs
- Schluder-Fasten: jeden Tag (auch Sonntag!) ein bisschen rausputzen – sprich: keine Leggins oder Jogginghose, immer eine nette Frisur usw. usf.
- Fernsehfasten: kein TV. Gar keiner. Kein klassisches Fernsehen, aber auch keine Netflix-Serie, kein Filmeabend, nichts dergleichen. Und auch nicht mogeln mit „nur eine kleine Doku auf Youtube“ oder „ein paar kurze Videos auf Facebook“
Entschieden habe ich mich für TV-Fasten (= Fernsehfasten). Wir haben zwar kein öffentliches Fernsehen, aber dafür Netflix, Amazon Prime und Disney+. Abends finden wir uns daher häufig vor dem TV ein und suchteln eine Serie. Sehen wir ehrlich: Das frisst Zeit, kann nur in den seltensten Fällen unter „erholsame Quality-Time“ verbucht werden und ist eine absolut blöde Gewohnheit.
Aber wie blöd genau, wurde mir erst später klar …
Wie viel Zeit verbringt man durchschnittlich mit Fernsehen?
Als ich mich ein wenig tiefer mit dem TV-Fasten beschäftigte, kamen ein paar gruselige Zahlen zutage: Im Durchschnitt schaut der Deutsche rund 220 Minuten fern am Tag (Stand 2020).
Bitte was?? Über 3,5 Stunden jeden Tag??
Wollen wir das mal kurz aufs Jahr hochrechnen? Lieber nicht.
Für einen selbst ist das natürlich völlig unrealistisch und wir gucken natürlich viel weniger! … oder etwa doch nicht?
Mal fix nachgerechnet: 3,5 Stunden täglich, von 20.00 bis 23.30 Uhr wäre das. Hm, plötzlich ist es gar nicht mehr so unrealistisch. Und da ist „hier und da ein kurzes Video auf Social Media“ noch gar nicht mit eingerechnet.
2 Stunden am Tag sind es bei uns im Durchschnitt sicherlich auch, da beißt die Maus keinen Faden ab. Schließlich gibt es ja auch diese verregneten Sonntage, an denen man halt mal alle drei Teile der Herr-der-Ringe-Special-Extended am Stück gucken muss. Und schon sind ein paar fernsehfreie Abende wieder TV-seitig ausgeglichen.
Tja. Nicht so in den 46 Tagen TV-Fasten. Rechnen wir die Auswirkungen doch mal hoch:
46 Tage x 2 Stunden TV-Fasten am Tag – das macht einfach mal satte 92 Stunden Extra-Zeit. Wow!
Zwischenstand nach 4 Wochen TV-Fasten
Als ich vor fast 20 Jahren dem regulären öffentliche TV-Gucken den Rücken gekehrt habe, hagelte es besorgte Warnungen und Ratschläge. Immer wieder wurde ich von besorgten Mitmenschen gewarnt: Ich wäre dann ja gar nicht mehr up to date und würde verpassen, was in der Welt vor sich geht. Mein Horizont würde sich stark einschränken und eventuell müsste ich sogar damit rechnen, dass meine Peer-Group mich ausschlösse.
Was ist tatsächlich passiert?
Ich bin einfach nur ein wenig fröhlicher und von negativen Nachrichten unbelasteter durchs Leben gegangen. Kann ich übrigens nur jedem empfehlen!
Bis vor wenigen Wochen hatte ich zwar kein „Normal-TV“, aber eben doch einen Hang zum Serien- und Filme-Gucken. Und erst jetzt wird mir richtig klar, wie viel Zeit dabei draufgegangen ist.
In den letzten Wochen habe ich mehrere richtig gute Belletristikbücher verschlungen. Abends die Badewanne nicht nur zum Duschen, sondern tatsächlich in ihrer Funktion als Wellness-Tempel genutzt (mit Kerzen und allem Drum und Dran). Fleißig an einem eBook geschrieben. Jede Menge Online-Kurse absolviert und das erste Mal seit Jahren meine Querflöte wieder aus dem Schrank geholt.
Fazit: TV-Fasten forever? Vielleicht nicht ganz, aber …
„Qualitytime“ und „Achtsamkeit“ sind die Stichworte, die durch das TV-Fasten stark katalysiert wurden! Ein paar Mal habe ich gezuckt, als z. B. eine neue Serie bei Netflix gestartet ist, die mich sehr reizen würde. Aber die läuft nicht weg und künftig möchte ich meinen TV-Konsum auf 1-2 Tage die Woche reduzieren.
66 Tage muss man eine neue Gewohnheit durchziehen, um eine echte Verhaltensänderung herbeizuführen. Nach den 46 Tagen in der Fastenzeit dürfte das recht einfach werden und die Veränderung ist wirklich enorm.
Daher: Das TV-Fasten ist bisher ein voller Erfolg! Und tatsächlich ersehne ich nicht das Ende der Fastenzeit herbei. Was als terminlich begrenzte Fasten-Challenge gestartet ist, hat mein Leben ein Stück reicher gemacht und wird fortgeführt.
Und Du? Was fastest Du in diesem Jahr – und hinterfragst Du in dieser Zeit auch gerne Deine unliebsamen Gewohnheiten? Wie schaffst Du Dir Raum für mehr Qualitytime? Lass es mich in den Kommentaren wissen, ich freue mich auf Deine Gedanken zu diesem Thema!